Gartenparadies mit Trockenmauern

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Trockenmauern zeugen von einer Zeit, als die ländliche Bergbevölkerung in der Schweiz dem Berg noch jeden Quadratmeter Land abtrotzte und als Weidefläche für ihre Tiere oder als Ackeranbaugebiet für Getreide wie Roggen und Gerste nutzte. Noch heute berühren diese anmutigen Bauwerke und stillen Zeugen aus einer vergangenen Zeit ihre Betrachter und lassen die Not und Armut der Bergbevölkerung vergangener Zeiten erahnen.

Trockenmauern sind Mauern aus losen Steinen. Die Steine werden ohne Mörtel im Verbund aufeinandergeschichtet. In ihrer Einfachheit liegt denn auch die ganze Komplexität, sind diese Mauern in den alpinen Regionen doch enormen Temperaturschwankungen, Wind, Wasser und Wetter ausgesetzt. Häufig stehen die Trockenmauern in den Bergregionen auch schräg im Hang oder dienten in vergangenen Zeiten gar als Lawinenschutz, was die technischen Anforderungen an diese Mauern erahnen lässt. Es handelt sich dabei um eine jahrhundertealte Handwerkstechnik, die heute nur noch wenige Handwerker in der Schweiz beherrschen. Einer von ihnen ist der Walliser Beat Locher. Seit mehreren Jahrzehnten widmet er sich der alten Handwerkskunst. Das Vorstandsmitglied des Oberwalliser Heimatschutzes leitete im Wallis unzählige Restaurierungsprojekte und ist der Schweizer Experte für Trockenmauern. Von seinem beruflichen Hintergrund her als Maurer ist er auch mit konventionellen Bautechniken vertraut. Doch sein Herz und seine Leidenschaft galten seit jeher den Trockenmauern.

Diese einzigartige terrassierte Kulturlandschaft im Wallis ist ein Erbe unserer Ahnen. Sie ist Ausdruck höchster Handwerkskunst und gleichzeitig auch Zeugnis von Armut und Not. Dieses kulturelle Erbe gilt es auch für die nächsten Generationen zu bewahren.
— Beat Locher

Trockenmauern sind nicht nur aus ästhetischer und kultureller Sicht wertvoll, sondern auch aus Sicht der Biodiversität. Sie bieten Lebensraum für viele Tierarten und Pflanzen. So entstand in Ergisch im Kanton Wallis unter Anleitung von Beat Locher ein kleines Paradies im Garten eines alpinen Wohngebäudes aus dem 17. Jahrhundert. Die alte Betonmauer, die einst ein inzwischen abgebrochenes Stallgebäude unterfing, wurde abgebrochen und durch eine Trockenmauer ersetzt. Die Steine wurden nicht wie meist üblich aus dem Steinbruch beschafft, sondern der Eigentümer der historischen Liegenschaft sammelte die Steine wie einst üblich über Wochen in der nahen Umgebung und fuhr diese in unzähligen Fahrten mit einem Handwagen zum Bauplatz. Letztlich kamen so mehrere Tonnen Bruchsteine für den Bau der Mauer zusammen. Nach dem Abbruch der Betonmauer, dem Aushub des Fundaments und dem Errichten des Schnurgerüsts entstanden in Handarbeit zu zweit während etwas mehr als einer Woche zwei einzigartige Trockenmauern, wie sie heute auch im Wallis nur noch selten neu entstehen. Die Mauern sind über 80cm tief und nach aller Kunst der Trockenmauer-Technik und mit jahrzehntelanger Erfahrung von Beat Locher gebaut.  

Die Vielfalt der Formen und der Farben verleiht den beiden Trockenmauern in Ergisch ihre ganz eigene Schönheit. Bereits nach kurzer Zeit wurden die Trockenmauern von Insekten und Eidechsen besiedelt. Und auch die Kräuter und der Garten profitieren von der Wärme der Steine. Zusätzlich zu den beiden Trockenmauern entstanden rund um das Haus auch noch zwei Plätze mit Rundstein-Pflasterbelägen, sog. Bikki-Pflästerungen, die früher überall in den Bergdörfern vorkamen. Hierfür fügte man einfach kleinere Steine aus der Umgebung trocken ohne Mörtel zusammen und hämmerte diese in den Untergrund aus Kies und Sand und verklemmte die Steine wechselseitig. Beat Locher bereitete die Plätze vor, indem er diese mit alten Granitsteinen aus dem Strassenbau umfasste.

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Der Hafner aus dem Toggenburg